Zum 150. Geburtstag des Grafen Gottfried von Pückler-Limpurg

Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Gaildorfer in den 50-er Jahren ihren Grafen während seiner letzten Lebensjahre als zurückgezogenen und verbitterten alten Mann erlebt hätten. Die vielen Schicksalsschläge, die er in seinem Leben erdulden musste, hätten Graf Gottfried von Pückler-Limpurg allen Grund dazu gegeben. Er wurde am 20. April 1871 im elterlichen Schloss in Burgfarrnbach (Fürth) geboren und verbrachte dort seine Kindheit zusammen mit drei älteren Schwestern und einem jüngeren Bruder. In Tübingen und München studierte er Forstwissenschaft, 1898 heiratete er Gräfin Adele, eine geborene Prinzessin zu Hohenlohe-Ingelfingen und zog mit ihr in das Pückler’sche Schloss nach Gaildorf. Es ist überliefert, dass die Gräfin infolge eines Reitunfalls keine Kinder gebären konnte, ein schwerer Schlag für das glücklich verheiratete, kinderliebe Paar. Der Erste Weltkrieg konfrontierte den Grafen dann massenhaft mit menschlichem Leid, als er die Leitung des Sanitätswesens in Lüttich übernahm. Er nahm jedoch die Herausforderung an, sorgte für eine gute Pflege der zahllosen Verwundeten und erhielt später dafür hohe Auszeichnungen. Am Ende der 20-er Jahre führte die Weltwirtschaftskrise auch zu einem exorbitanten Wertverlust bei den gräflichen Finanzen.

Das Dritte Reich mit seinem menschenverachtenden Naziregime und der daraus resultierende zweite Weltkrieg war die wohl schlimmste Zeit im Leben des Grafen. Da waren die Neffen, auf denen seine Hoffnung für die spätere Übernahme des gräflichen Besitzes ruhte, die aber beide im Krieg umkamen. Wilhelm-Heinrich versank als 30-jähriger Kapitänleutnant 1943 mit seinem U-Boot zwischen Grönland und Island. Der ältere Bruder, Hans-Ludwig, fiel mit 34 Jahren 1944 an der Front in Rumänien. Ihr Vater, Richard von Pückler-Limpurg, der jüngere Bruder des Grafen, war zuvor schon am 20.04.1942 mit 70 Jahren nach jahrelanger Krankheit verstorben. Außerdem stand das gräfliche Paar in Gaildorf unter strenger Beobachtung der örtlichen NSDAP, waren sie doch für ihre kritische Einstellung zum Nationalsozialismus bekannt. Graf Gottfried hatte im Jahr 1941 mit Ludwig Fritz einen von der Nazi-Partei entmachteten ehemaligen Bürgermeister eingestellt. Gräfin Adele wurde vorgeworfen, aus ihrer Bibliothek der Bevölkerung nur Bücher auszuleihen, „die in ihrer Tendenz gegen die Weltanschauung der NSDAP gerichtet sind“. Daher wurde die Bücherausleihe dann Anfang 1945 durch einen Gauschulungsleiter der Nationalsozialisten verboten. Und als ob dies alles noch nicht genügen würde, einem Menschen jegliche Freude am Leben zu nehmen, kam es dann auch noch zum 20. April 1945. Es war nicht nur der 74. Geburtstag des Grafen, sondern auch der des Massenmörders Adolf Hitler. Eine Tatsache, die dem Drama noch seinen tragischen Gipfel aufsetzte. An diesem Tag wurde das Gaildorfer Schloss mit all seinen Schätzen, Möbeln, Archivalien, Urkunden, Manuskripten, wertvollen Büchern und Bildern vollständig zerstört. Die Feuershitze entwickelte eine solche Kraft, dass fast nichts mehr übrigblieb. Ursache für die Katastrophe war der Aussage von Zeitzeugen nach eine SS-Einheit von verblendeten Deutschen. Sie beschossen die Stadt mit Granaten und wollten offensichtlich Gaildorf zurückerobern, welches bereits von Amerikanern besetzt war.

Im Beisein von Oberrentamtmann Ludwig Fritz, der dies dann in seinem Tagebuch vermerkte, zitierte Graf Gottfried am Morgen des folgenden Tages beim Anblick der rauchenden Trümmer jenen mittlerweile legendären Satz aus dem biblischen Buch Hiob: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt!“ In dieser Situation steckt vermutlich das Geheimnis dafür, dass der Graf und seine Ehefrau nicht am Erleben dieser traumatischen Zeit zerbrochen sind. Während andere angesichts dieser Situation die verständliche aber unbeantwortbare Frage stellten: „Und wo war denn nun Euer Gott?“, war der christliche Glaube für beide gerade jetzt die rettende Insel im tosenden Meer, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. So bekamen Sie tatsächlich auch im hohen Alter noch die Kraft, diese Ereignisse gut zu verarbeiten. Nun kehrten nach dem Krieg Freude und Lebensmut zurück und Graf Gottfried von Pückler-Limpurg verbrachte gemeinsam mit Gräfin Adele noch 12 glückliche Lebensjahre im Pückler’schen Forsthaus in der Kernerstraße. Dort gründete er vor 70 Jahren die Graf von Pückler und Limpurg’sche Wohltätigkeitsstiftung, „aus Dankbarkeit für die gnädige Erhaltung des größeren Teils des Besitzes und dem Bestreben, dem öffentlichen Wohl zu dienen“, wie es in der Stiftungsurkunde heißt. Viele aus der älteren Bevölkerung des Limpurger Landes erinnern sich gerne an das bescheiden auftretende Ehepaar, welches in der Stadt durch ihre herzliche und kommunikative Art, ihre Freundlichkeit und Wohltätigkeit bleibende Eindrücke und Werte hinterlassen hat. Am 26. November 1957 starb Graf Gottfried im Alter von 86 Jahren in seiner geliebten Schenkenstadt Gaildorf. Der letzte Standesherr des Hauses Pückler-Limpurg legte bei aller Bescheidenheit Wert darauf, auch als Nachfahre der Schenken von Limpurg erkannt zu werden. Für die Gravur auf seinem Grabkreuz hat er ein weiteres Mal einen Spruch aus dem Buch Hiob ausgewählt: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

Gaildorf, 12.04.2021
Matthias Rebel